RTL, Vermisst, Sandra Eckardt, Schweine-Uterus

Der Alkohol ist zu weit weg und ich möchte gerade nicht aufstehen. Obgleich es klug wäre wegzurennen. Aber ich würde geradewegs den Fernseher anpeilen und in einer gewaltigen braunschen Kathodenstrahl-Implosion zerfetzt werden.

Warum? Sandra Eckardt aus der Real-Life-Doku „Vermisst“.

Für alle, die mal reinschauen wollen:
Vermisst | rtl.de
Vermisst | rtl-now.rtl.de

Meine Fresse. Mein spirituelles Interesse daran, sich über nichts und niemanden mehr aufzuregen, währt nun einige Jahre. Und ich trainiere unaufhörlich. Aber wenn dieser schrankenlos entartete Tand über unsere Mattscheibe flimmert, sträuben sich mir die Sackhaare. Ja. Dann möchte ich mich geradezu in meine Wut reinsteigern.

Ich denke unweigerlich an eine Tiefkühlpackung Schweine-Uterus, die ich vorgestern in einem asiatischen Supermarkt in Händen hielt.

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Die Sendung ansich: Mir fällt extrem bewusst auf, wenn Szenen, die spontan wirken, mehrmals gedreht wurden. Plötzlich ist eine Kamera mitten in der Szene an einer ganz anderen Stelle, an der vorher keine Kamera war. Schlagartig verflüchtigt sich in solch einem Moment jegliches Gefühl für die Authentizität der Sendung. Und auch ist mir bewusst, dass kurz eingespielte Szenen – Landschaften, Gesten, Gesichtsausdrücke uns wo weiter – im Nachhinein gedreht werden, um sie an Stellen zu setzen, an denen Schnitte nicht auffallen sollen oder einfach mal eine emotionale Leitplanke benötigt wird. Doch so offensichtlich und einfach schlecht, wie in „Vermisst“, habe ich es noch nie erlebt. Am stärksten gerinnt meine Kotze, wenn Sandy in diesen Einspielern gespielt traurig guckt oder so mechanisch eintrainiert ihre Hand auf den Rücken ihres Gegenübers legt, um vermeintlichen Trost zu spenden.

zombie-156746_1280Sorry, aber ich finde sie einfach falsch, unecht. Diese verfickten Umschnitte auf ihr mitleidiges Gesicht bringen meine Magensäure zum Brodeln. Würde ich in einem orwellschen Roman vor Panik schreiend in gleißendem Licht auf einem OP-Tisch liegen, kurz bevor an mir ein sinnloser Menschenversuch stattfinden sollte, dann währe Sandra Eckardt diejenige, die mir mit falschem Lächeln, Hundeblick und übertrieben sanfter Stimme ein Nervengift in die Vene drücken würde. Wie im Film „Die Insel“, nachdem der geklonten Mama ihr Kind weggenommen und sie selbst um die Ecke gebracht wird. Sandra ist so echt, wie der Perverse, der im Park Kinder mit Schokolade anlockt.

Ich habe das Gefühl, dass sie sich selber zu sehr in Szene setzen will. Und wenn sie dann während ihrer Suche vor Ort zum tausendsten Mal „obrigado“ oder „dzień dobry“ oder sonstwas sagt… wuuaaaaaaaaaaaaaah!!! Total Verstrahlt. Schweine-Uterus im Weltall.

Aber wie bereits an anderer Stelle erwähnt, ich gönne meiner Freundin ihre Emotionen, die sie durch dieses Sendeformat erhält, sei es nun, dass es sich um eine Real-Life-Doku oder doch nur um eine Scripted-Dokusoap handelt. Und ich gucke ab und zu hin, damit ich mich so herrlich darüber aufregen kann. Denn auch deshalb sind solche Sendungen erfolgreich. Man kann sich so schön ärgern und lästern.

Manchmal steht der Alkohol eben zu weit weg.


David Marshall

Autor: David Marshall (Gründer von MassenWort)

Schreiber, Musiker, Zeichner und mehr. Denkt viel, rülpst viel, textet gerne. Tiefgründig, wenn gewollt. Aber Stock im Arsch? Fehlanzeige. Mit einem Augenzwinkern nimmt er nicht alles so bitterernst. Sich selbst schon gar nicht.


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